Mit rund 80 Teilnehmenden fand am 20. Februar 2025 die 4. Mülheimer Tagung – Wasserökonomische Konferenz mit dem Oberthema „Nachhaltigkeit – Transformator in eine zukunftsfähigere Wasserwirtschaft“ statt. Diese wurde organisiert von RWW Rheinisch-Westfälische Wasserwerksgesellschaft mbH, IWW Zentrum Wasser und Hochschule Ruhr West University of Applied Sciences in Mülheim an der Ruhr. Eine stattliche Zahl an Teilnehmenden, steht doch seit kurzem im Raum, dass die Schwellenwerte, ab denen Wasserver- und Abwasserentsorger zu einer Nachhaltigkeitsberichtserstattung verpflichtet werden, signifikant angehoben werden könnten.
Welche konkreten Erkenntnisse konnten die Teilnehmenden hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung sammeln:
1. Der Rahmen der CSRD wurde gesteckt In gewohnt enthusiastischer und vereinnahmender Art holte Gunda Röstel, unter anderem stellvertretende Vorsitzende des Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE), das Auditorium ab und stellte sowohl die Genese als auch die Zielsetzungen des European Green Deal und seiner Tochterrichtlinien dar. Gürbüz Yasar (PwC) beschrieb die Herausforderungen und Chancen, die mit der CSRD-Berichterstattung verbunden sind. Die nicht-finanzielle Berichterstattung gleiche sich an die Finanzberichterstattung an.
2. Konkrete Erfahrungsberichte zeigten: Der Prozess ist komplex, aber wird leichter – wenn man weiß, wo was steht. Axel Bergmann beschrieb plastisch, wie die RWW Rheinisch-Westfälische Wasserwerksgesellschaft mbH über die Stakeholder-Analyse und die doppelte Wesentlichkeitsuntersuchung die zentralen Themen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung bestimmte. Für die Gap-Analyse stellte sich gleichwohl heraus: Viele Daten sind nötig. Daten, die zum Teil erst komplex zusammengesucht werden müssen, was mit signifikantem Zeitaufwand einhergeht. Anja Rohn (IWW Zentrum Wasser) stellte dar, woher und wie sich Informationen zur Treibhausgasbilanzierung für die Scopes 1 bis 3 generieren lassen. Markus Schröder von TUTTAHS & MEYER warb für „cradle-to-cradle“-Ansätze und bewies anhand von Baumaßnahmen, dass Nachhaltigkeit sehr viel breiter verstanden werden kann und muss. Lediglich die Effizienz von Materialeinsatz zu erhöhen oder nachhaltigere Werkstoffe einzusetzen, reiche nicht aus. Absolutes Highlight der Tagung bildete die „Uraufführung“ des „Branchenleitfadens der deutschen Wasserwirtschaft zur Nachhaltigkeitsberichterstattung nach ESRS“ durch Markus Rüdel (Ruhrverband), Mitglied der Verbände-AG. Erst am gestrigen Tage ist dieses Dokument offiziell veröffentlicht worden.
3. Sowohl praktische als auch theoretischere Anregungen wurden geteilt. Kim Augustin stellte die breiten und vielfältigen Ansätze in der Nachhaltigkeitsverbesserung von HAMBURG WASSER dar. Er verdeutlichte plakativ, dass in Abhängigkeit der gewählten Kriterien Maßnahmen sowohl als nachhaltig oder auch unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten fraglich einordbar sind. Bernhard Grünauer (E.ON) entführte uns in die Großkonzernberichterstattung. Auch er stellte fest, dass der Betrachtungshorizont zentral bestimme, als wie nachhaltig Maßnahmen betrachtet werden können. Wie gut, dass wir mit dem Branchenleitfaden eine Orientierung haben, die auch Berichte unterschiedlicher Unternehmen vergleichen lassen.
4. Leitlinien für die Nachhaltigkeitsberichterstattung ließen sich ableiten. Aus den verschiedenen Vorträgen wurde deutlich: Es ist wichtig, dass die Geschäftsführung die Berichterstattung begleitet und immer wieder forciert. Der Wirtschaftsprüfer ist von Anfang an einzubinden. Auch wenn der Bericht bei der erstmaligen Erstellung komplex ist – es wird über die Zeit besser. Und last but not least: Beginnt eher schlank und übernehmt Euch zu Anfang nicht.
Die Mülheimer Tagung wäre aber nicht die Mülheimer Tagung, wenn sie nicht auch versuchen würde, den Bogen breiter zu spannen. So wurde auch auf der Tagung bisweilen die These aufgestellt, wasserwirtschaftliche Investitionen in Nachhaltigkeit müssten lediglich gewollt und nur hoch genug priorisiert werden. Staatliche Förderungen wären schlicht das Gebot der Stunde. Hier verwies Hubertus Bardt, Direktor des Institut der deutschen Wirtschaft in Köln, auf mittlerweile sechs Jahre ohne nennenswertes Wirtschaftswachstum, was Verteilungskonflikte aufflammen ließe und Subventionen für die Zukunft alles andere als gesichert erscheinen lassen sollte.
Da ESG-Kriterien neben den „Environmental“- auch die „Social“- und „Governmental“-Themen integrieren, durften auch diese nicht fehlen. Prof. Dr. Mark Oelmann (Hochschule Ruhr West) berichtete, wie Wasserwirtschaftsunternehmen und Hochschulen ihre Kräfte bündeln und junge Menschen für unsere Branchen begeistern könnten. Dr. Felix Sühlmann-Faul stellte erfrischend dar, wie sich Prozesse der Digitalisierung nachhaltig gestalten ließen.
Die Zukunft bleibt spannend. Wir alle werden sehen, wie das Omnibus-Verfahren ausgehen wird. Werden die Schwellenwerte, ab denen Unternehmen eine formale Nachhaltigkeitsberichterstattung zu erstellen haben, erhöht? Welchen Druck werden Stakeholder auch auf kleinere Unternehmen ausüben, sich strukturiert über Nachhaltigkeit Gedanken zu machen? Klar war allen: Nur solche Berichte abzufasen, weil man dies eben machen muss, ist wenig sinnhaft. Nachhaltigkeitsberichterstattung muss ein zentrales Vehikel sein, wasserwirtschaftliche Unternehmen in ihrem Denken und Handeln zu transformieren.
Autor: Prof. Dr. Mark Oelmann, Hochschule Ruhr West
Auf dem Bild: Diplom Volkswirt Andreas Hein (IWW Institut für Wasserforschung) und Prof. Dr. Mark Oelmann (Hochschule Ruhr West)